ADOLF ERBSLÖH
WEGBEREITER DER KLASSISCHEN MODERNE
 

Am 27. Mai 1881 wird Adolf Erbslöh in New York geboren, wo der Vater als Kaufmann tätig ist. Einige Jahre später kehrt die Familie nach Deutschland zurück. Nach einer halbjährigen kaufmännischen Ausbildung schreibt sich Erbslöh 1901 an der Karlsruher Akademie für ein Kunststudium ein und lernt dort Alexander Kanoldt kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird. 1904 setzt er sein Studium an der Akademie in München bei Ludwig von Herterich fort. Die Begegnung mit Alexej von Jawlensky gibt den entscheidenden Anstoß zu seiner weiteren künstlerischen Entwicklung. 1909 ist er Schriftführer im Gründungskreis der Neuen Künstlervereinigung München, mit Kandinsky, Jawlensky, Kanoldt, Münter, Werefkin und anderen, aus der dann der Blaue Reiter hervorgeht. Merkmal der neuen Kunst ist eine streng stilisierende Darstellungweise, verbunden mit intensiven Farben und einer Betonung der rhythmisierten Fläche, die die Nähe zum Expressionismus kennzeichnet. 1914, nach einer Italienreise, wird Erbslöh zum Militärdienst einberufen und dient bis Kriegsende als Kriegsmaler an der Westfront. 1916 schließt er sich der "Neuen Sezession München" an. Die zwanziger Jahre sind von vielen Reisen geprägt, auf denen zahlreiche Landschaftsbilder entstehen. Vor allem das Motiv der Berge wird immer wieder variiert. Ab 1927 hält sich der Maler vorwiegend am Bodensee und in Oberbayern auf, wo er schließlich 1934 ein Haus im Isartal erwirbt. Nach einer großen Retrospektive im Kunstverein Barmen im Jahr 1931 wird es still um Erbslöh. Ab 1933 sind Ausstellungen und öffentliche Arbeit unmöglich, der Künstler lebt zurückgezogen mit der Familie in Irschenhausen. Es entstehen zahlreiche Bildnisse von Familienmitgliedern und Freunden. Daneben schildert er in kleinen Formaten seine unmittelbare Umgebung: den Garten, das Haus, die Kirche, die Wiesen. Vieles bleibt unvollendet, kaum eine Arbeit wird noch signiert. Jenseits aller Moden zählt der Künstler zu den bedeutenden Vertretern der Klassischen Moderne, dessen Werk die furiose Kunstentwicklung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegelt, ohne dabei beliebig zu sein.


Adolf Erbslöh was born in New York, where his father was on business, on 27 May 1881. Several years later the family returned to Germany. After half a year of training in business, Erbslöh enrolled in 1901 at the Karlsruhe Academy to study art. There he met Alexander Kanoldt and they remained lifelong friends. In 1904 Erbslöh transferred to the Munich Academy to continue his studies under Ludwig von Herterich. His encounter with Alexei von Jawlensky would shape the further course of his artistic development. In 1909 Erbslöh was a co-founder and secretary of the Neue Künstlervereinigung Munich (NKV), which included Kandinsky, Jawlensky, Kanoldt, Münter, Werefkin et al. This was the circle from which the Blauer Reiter would emerge. The salient feature of the new art is stringently stylizing rendering of forms linked with a saturated palette and an emphasis on rhythmicised surfaces that reveal affinities with Expressionism. After travelling in Italy, Erbslöh was conscripted into national service in 1914, serving as a war painter on the Western Front throughout the war. In 1916 he joined the 'Munich New Secession'. The 1920s saw him taking numerous journeys, on which he painted landscapes. Mountains especially were continually being varied as his motif of choice. From 1927 the painter lived mainly on Lake Constance and in Upper Bavaria, where he finally bought a house in the Isar Valley in 1934. After a major retrospective at the Barmen Kunstverein in 1931, nothing more was heard from Erbslöh. Since exhibiting and working in public were no longer possible from 1933, the artist lived in retirement with his family at Irschenhausen. There he painted a great many portraits of family members and friends. In addition, he captured his immediate surroundings in small formats: his garden, his house, the local church and meadows. Much remained unfinished and scarcely a work was still signed. Remote from all prevailing trends, the artist remained a leading exponent of classical modernism, whose work reflects the heady developments in art that took place in the first half of the 20th century without, however, being at all derivative.

Entnommen aus: www.adolferbsloeh.com

Adolf Erbslöh - der Avantgardemacher
Ausstellung Wuppertal
11. April - 20. August 2017

Das Von der Heydt-Museum Wuppertal widmet Adolf Erbslöh (1881-1947) eine umfassende Ausstellung, die die Rolle des Künstlers als Avantgardemacher beleuchtet. Denn der aus Wuppertal stammende Erbslöh war es, der die Künstler vor und nach dem Ersten Weltkrieg als Freund förderte, zunächst die Münchner Szene mit Marianne von Werefkin, Alexej Jawlensky, Franz Marc, Wassily Kandinsky und Gabriele Münter. Sie bildeten eine explosive Gruppe von Individualisten, die er als engagierter Organisator und Mediator zusammenhielt und ihr den Weg zu verschiedenen Ausstellungen in renommierten Museen ebnete. So kam es schon in den 1910er Jahren zu Ausstellungen in (Wuppertal- )Elberfeld, in der Ruhmeshalle in (Wuppertal-)Barmen und anderen bedeutenden Kunstorten des Rhein-Ruhrgebietes. Dabei halfen dem weltgewandten Erbslöh seine Kontakte zu den führenden Museumsdirektoren seiner Zeit, zu Richart Reiche, zu Friedrich Fries und zu Karl Ernst Osthaus.

Im ständigen engen Kontakt und Austausch mit den führenden Künstlern seiner Zeit, als ruhender Pol im Epizentrum der Moderne, entwickelte Erbslöh seinen eigenen Malstil eher bedächtig. Stets um eine intensive Reflexion seines eigenen Tuns bemüht, erarbeitete er, ausgehend von einem farbglühenden Expressionismus, in dem die Freundschaft zu Jawlensky erkennbar wird, über einen moderaten Kubismus in den 1920er Jahren, einen ganz eigenen Duktus, in dem trotz aller Nüchternheit und neuen Sachlichkeit ein eigenes zeitgenössisches Naturempfinden spürbar wird. Seine Porträts, Stillleben und Landschaften verbinden die Leuchtkraft der Farbe mit einem klar strukturierten, räumlichen Bildaufbau und machen sie zu harmonischen Werken voller verborgener Rhythmikt.

Adolf Erbslöh. Maler, Freund und Förderer
Ausstellung Murnau
30. März - 2. Juli 2017

Adolf Erbslöh, 1881 geboren in New York, aufgewachsen in Barmen, ist vor allem als Vertreter der Klassischen Moderne und als Nachfolger von Wassily Kandinsky als erster Vorsitzender der „Neuen Künstlervereinigung München" (ab 1911) bekannt.

Aus wohlhabender Familie stammend, entwickelt er früh eine künstlerische Neigung und eine ausgeprägte Liebe zur Musik. Nach einem Kunststudium in Karlsruhe wechselt Erbslöh zusammen mit seinem Freund Oscar Wittenstein 1904 nach München. Hier studiert er u. a. bei Ludwig von Herterich an der Akademie der Bildenden Künste. Seine finanzielle Unabhängigkeit und das gesellschaftliche Leben, das er zusammen mit seiner Frau Adeline in München führt, ermöglichen es ihm, seinen vielfältigen Interessen, u. a. an der Luftfahrt, nachzugehen. So beteiligt er sich mit Wittenstein und großem finanziellem Eigenanteil an der Entwicklung eines Motorballons.

Zunächst gilt sein Interesse 1909 jedoch der Mitgliederanwerbung und Mitbegründung der „Neuen Künstlervereinigung München", zu welcher u. a. Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, Gabriele Münter, Erma Bossi und Alexander Kanoldt, Erbslöhs Freund aus der Karlsruher Studienzeit, zählen. Adolf Erbslöh übernimmt das Amt des Schriftführers und zeigt auf der ersten Ausstellung der Vereinigung drei Werke, darunter die „Märzsonne" von 1909.

Vor allem in seinen Landschaftskompositionen entwickelt Erbslöh in den darauffolgenden Jahren eine immer stärker rhythmisierte, kubistisch-abstrahierte Auflösung, die ihn zu einem unverwechselbaren Malstil finden lässt.

Seine finanzielle Absicherung nutzt Erbslöh Zeit seines Lebens, um Freunde und Weggefährten zu unterstützen vor allem die russischen Kollegen, die durch die Oktoberrevolution 1917 nicht mehr an ihr Vermögen kamen. Mit Alexej von Jawlensky, den er sein „künstlerisches Gewissen" nennt, verbindet ihn eine lebenslange Freundschaft, die sich in ihrem Briefwechsel eindrucksvoll widerspiegelt.

Die Ausstellung zum 70. Todestag von Adolf Erbslöh zeigt neben Leihgaben, u. a. aus der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und dem Museum für Neue Kunst, Freiburg, vor allem selten gezeigte Werke aus Privatsammlungen sowie Arbeiten seiner Weggefährten und Skulpturen seiner Tochter Ingeborg, der er ebenfalls tief verbunden zur Seite stand.

2016: Nach fünfjähriger Vorarbeit neu erschienen:
Das Werkverzeichnis der Gemälde

2011 versteigerte Karl & Faber das Gemälde „Baumgruppe im Englischen Garten". Da tauchten zwei abweichende Fotos des scheinbar gleichen Gemäldes in verschiedenen Publikationen auf - eins monogrammiert, das andere signiert. Handelte es sich nun um zwei Werke oder um eine überarbeitete Leinwand? Das Verzeichnis der Gemälde von Hans Wille, herausgegeben 1967, lieferte hier keine Antwort. Eine überarbeitete und ergänzende Neufassung war dringend nötig. Nun, nach fast fünfjähriger Vorbereitung, erschien im April 2016 im Hirmer-Verlag das aktuelle Werkverzeichnis der Gemälde mit über 700 Positionen, einem Vorwort von Sten Nadolny, einer Einführung in das malerische Werk sowie einer Biographie und einem Ausstellungsverzeichnis. Die Auflösung zu dem Rätsel der „Baumgruppe" findet sich übrigens im Werkverzeichnis unter der Nr. 1916/6.

Brigitte Salmen, Felix Billeter: „Adolf Erbslöh, 1881 - 1947. Werkverzeichnis der Gemälde". Mit einem Grußwort von Sten Nadolny. Hrsg.: Karl & Faber, München. Hirmer-Verlag München 2016. ISBN 978-3-7774-2587-0. 49,90 Euro (D).

ZU: „ADOLF ERBSLÖH IN DEN FAMILIENBERICHTEN DER FAMILIE ERBSLÖH 1914 - 1918“ >>>
Auszug aus:
WIKIPEDIA: Mädchen mit rotem Rock, 1910

In den Jahren 1909 und 1910 malte Erbslöh mehrere großformatige Einzelfiguren. Das Mädchen mit rotem Rock ist „eines der wichtigsten Bilder dieser Reihe. Das Bild ist von einer gesteigerten satten Farbigkeit durchpulst. Das Inkarnat lebt von schattenreichen Farbschattierungen, die sich von der Rotskala weit weg bewegen und bis ins Grünliche gehen und selbst in den Schattenpartien noch eine transparente Farbigkeit enthalten"; ein Hinweis auf die früher praktizierte Malweise des Künstlers im Stil des Impressionismus, zu dessen „wesentlichen Errungenschaften die durchleuchtenden farbigen Schatten gehören”. Das Schwarz, das die Vertreter des Impressionismus den Schattenlagen zuordneten, wird hier den Konturen vorbehalten. Man muss das Bild auch aus der Nähe betrachten, dieses „Grün neben Gelbgrün, Orange, Schwarz, Blau und Rosa zwischen Arm und Brust, um die jugendliche Frische dieser Malerei voll auszukosten; die Farbe ist schwungvoll aufgetragen, oft wie hingeschrieben, die Leuchtkraft in Oberkörper und Gesicht konzentriert. Das Thema ist alt, die Malerei repräsentiert das Neue”.

„Mancher tote Meister würde vor Erbslöhs mächtigem Frauenakt erschauern”, hatte sein Künstlerfreund Franz Marc gesagt. Das Bild fällt in die Zeit des künstlerischen Umbruchs, beeinflusst auch von Erbslöhs Freund Alexej Jawlensky und seinen kraftvollen Farben sowie dessen Faszination für das menschliche Gesicht. Die Nähe zu Jawlenskys im Jahr 1909 entstandenen Bild Mädchen mit Pfingstrosen lässt sich nicht übersehen. Adolf Erbslöh und seine Malerkollegen in der Neuen Künstlervereinigung München, aus der später die Gruppe um den Blauen Reiter hervorging, befruchteten sich gegenseitig. Sie wollten „die Seele des Betrachters zum Vibrieren bringen”. Erbslöh sagte: „Der Künstler bildet, was er sich vorstellt. Seine Vorstellungen sind die Kinder seiner Phantasie, des Urquells allen Schaffens. [...] Der große Künstler wird stets die seinen Vorstellungen entsprechende, die ihm notwendige Form finden, und so wird die Form zum Ausdruck seines Inneren, zum Symbol seines Wesens”.

Um 1910 wurden die Arbeiten der später berühmten Expressionisten „böse verrissen”. Von „Unsinn” war die Rede, von „Stuss” und den sich als „unfähig erwiesenen Gehirnen” der Künstler.

Isabella Nadolny:
„Erbslöh“

Von den vielen Onkeln meiner Kindheit war nur einer unentbehrlich, und der war gar nicht mit uns verwandt: Adolf Erbslöh, Freund Kanoldts, Freund Meyrinks, Mitglied der Neuen Sezession, Original und Weltmann, Zigarrenraucher mit großer Hornbrille. Er hatte seinen Platz am Teetisch der Eltern, und ich lachte schon über seine Witze, ehe ich sie verstand.

Er war ein brillanter Erzähler; jeder Dialekt, jede Nuance einer fremden Sprache, jede Anekdote war bei ihm in den besten Händen, jede Pointe saß wie ein Schuß. Ich meinte, er müsse Musiker sein, weil er soviel von Musik sprach, auch wohl den Teller zurückschob und auf dem Tisch trommelte, wie welcher Dirigent welches Tempo nahm. Und dabei hingen die von ihm gemalten Portraits an der Wand und einige seiner beinah kristallinisch stilisierten Landschaften. Später merkte ich, daß von seinen schweren und zugleich leuchtenden Farben Trauer ausging, ja, daß er wie so viele sprühende Humoristen im Grunde ein melancholischer Mann war, streng mit sich und seinen Bildern, mißtrauisch gegen das eigene Talent. Er sprach niemals von sich, jedoch mit beträchtlichem Feuer von anderen, warb für sie, setzte sich ein, half ihnen, oft ohne daß sie es erfuhren. Als ein Kunstsalon ihn aufforderte, seine Bilder auszustellen, lehnte er mit dem Bemerken ab, sie sollten lieber Jawlensky zeigen, das sei wichtiger. Als ich noch den Muff an einer Kordel umhängen hatte, saß ich ihm in seinem Atelier und bekam dafür alle Viertelstunde ein Stück von der Schokolade, die unter meinem Stuhl wartete.

Er trat an der Staffelei vor und zurück und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. Trotzdem sah er mich nicht, ich konnte ihm Grimassen schneiden wie dem Löwen, der durch mich hindurch auf den im Hintergrund rumorenden Wärter schaut. Ich wuchs. Der Strich im Rahmen der Eßzimmertür, an der man mich maß, geriet immer höher. Erbslöh blieb der gleiche interessante Onkel. Nie kniff er mich in die Wange, nie fragte er mich, wie ich in der Schule stünde, nie ließ er mich ausrechnen, wann zwei Radfahrer zusammentreffen, die gleichzeitig aufbrechen, jedoch verschieden schnell fahren. Er fragte vielmehr: „Wenn du im Bett weinst, weinst du dann nach vorn oder nach hinten?" oder: „Haben bei dir die Wochentage auch Farben? Bei mir ist der Mittwoch gelb!" Und wie ernstgenommen fühlte ich mich, wenn er mit den Händen einen Rahmen in der Luft formte und sagte: „Bleib mal so stehen! Prachtvolles Blau, dein Kleidchen!"

Nie dünkte mich die Welt der Erwachsenen erstrebenswerter, als wenn er da war. Wer wollte nicht auch groß sein, wenn Furtwängler derart Bruckners Siebente dirigierte, Zdenka Faßbender eine solche Elektra sang, Sacharoff und Clothilde von Derpp tanzten, Karl Valentin grantig-philosophische Aussprüche tat, die Erbslöh genüßlich mehrfach vor sich hinsprach, wobei er mit der Zigarre steuernde Bewegungen machte. Irgendwann einmal erwähnte er seine Malerei und sagte, sein stärkstes künstlerisches Erlebnis sei jedes Jahr „unser herrlicher, ernster, dunkelleuchtender deutscher Sommer mit dem vielerlei Grün und den violetten Schatten". Ich vergaß es nie, obwohl ich Wald und Gebüsch nicht so sah wie er. („Erkennt, Freunde, was Bilder sind, das Auftauchen an einem anderen Ort", schreibt Franz Marc.) Erbslöh lehrte mich, eine Landschaft mit schiefgelegtem Kopf oder durch die gespreizten Beine zu betrachten, dann sehe man die Valeurs deutlicher. Es stimmte, ebenso wie der Ausspruch, daß mit Leuten, die nicht auch einmal so richtig albern sein könnten, irgendwas verkehrt sei. Er war spontan wie ein Kind. „Gott, wie fürchterlich", rief er, durchs Fenster blickend, „da kommt ja wieder dieses total verzeichnete Ehepaar!" Er schlug seinem Sohn am Klavier auf die Finger und fragte: „Was heulste denn, es soll dir Freude machen!" Als er an ländlichem Strand einen Freilichtakt malen wollte und an die Anstandsvorstellungen der Bauern gemahnt wurde, meinte er: „Unsinn! Bei Malern gibt's doch gar keinen Anstand!" Er hielt eine Eiche für einen Birnbaum, zerstörte in hilfloser Ungeduld kniffliges technisches Gerät, kannte aber jedes Buch von Belang und hatte eine große Konzertplattensammlung. Entdeckte er einen besonderen Menschen, so lud er ihn zu sich ein, aber mit allen denen zusammen, die für den Gast wichtig waren, denen dieser etwas geben konnte und umgekehrt. In seinem Haus haben sich Künstler aller Gattungen kennengelernt, haben sich Wege gekreuzt und Begegnungen vollzogen bei einem leichten Mosel und ein paar Käsestangen. Was würde er von der heutigen Gastlichkeit halten, bei der es alle zwei Stunden etwas anderes zu essen gibt, bei der man aber seine Miteingeladenen nicht kennenlernt?

Als Erbslöh ins Isartal, meine Eltern nach Paris zogen, trennten sich die beiden Familien schwer und ungern. In den dreißiger Jahren kam Erbslöh im Sommer noch oft zu uns an den Chiemsee, per Rad, im Rucksack ein frisches Hemd, Zeichenkohle, eine Flasche Eau de Cologne und einen Band Schopenhauer. Dessen böses Wort von der „schlechtesten aller Welten" zitierte er des öfteren in seiner Verzweiflung über das Unglück Deutschlands, erzählte die neuesten politischen Witze mit dem gewohnten Feuer.

Zu meiner Hochzeit sollten nur engste Verwandte kommen. Wie sollten wir ohne Erbslöh feiern? „Weißte, Sascha, du sagst einfach, unsere Großväter seien Stiefzwillinge gewesen", schlug Erbslöh vor. Krieg und Nachkrieg verhinderten das Wiedersehen. Erbslöhs Herzleiden verschlimmerte sich rasch, er starb, ohne daß wir zu seiner Beerdigung fahren konnten. Wir sprachen weiter von ihm, zitierten ihn, lachten über ihn. Er blieb gegenwärtig. Er ist es noch. Zwölf Jahre nach seinem Tod fragte Papa, der den Zusammenhang mit der Realität verloren hatte: „Warum kommt Erbslöh nicht?" Vielleicht war diese Freundschaft schon damals ein Anachronismus, etwas, das im Wilhelm Meister stehen könnte. Meine Ahnung, daß es für mich niemanden geben werde, wie es Erbslöh für die Eltern war, hat sich bestätigt.

Aus: Isabella Nadolny, „Durch fremde Fenster", Paul List, München 1987 und dtv 11159, München 1989.

Isabella Nadolny (geb. als Isabella Peltzer; Pseudonyme: Isabella Burkhard, Isabella Ma Jolny) (* 26. Mai 1917 in München; † 31. Juli 2004 in Traunstein) war eine deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin.

Isabella Nadolny stammte aus einer großbürgerlichen Familie; der Vater war Maler. 1941 heiratete sie den Schriftsteller Burkhard Nadolny; aus dieser Ehe ging ein Sohn, der Schriftsteller Sten Nadolny, hervor. 1951 begann Isabella Nadolny als Schriftstellerin.Sie lebte in Chieming am Chiemsee. Sie erhielt 1963 den Tukanpreis der Stadt München, 1975 den Ernst-Hoferichter-Preis, 1992 das Bundesverdienstkreuz und 1994 den Bayerischen Verdienstorden.

Werke u.a.: „Ein Baum wächst übers Dach" (1959), „Seehamer Tagebuch" (1961), „Vergangen wie ein Rauch" (1964), „Der schönste Tag" (1980), „Providence und zurück" (1988). Siehe auch hier >>>












Ausstellungen, Auktionen ... (Auszug):

Auktion
bei Van Ham
27. Mai 2009:


Erbslöh, Adolf
Pappeln am Fluss. 1917 oder früher. Öl auf Leinwand. 30,5 x 40cm. Signiert unten links:
A. Erbslöh. Rahmen.


Provenienz:

1917 erworben durch die Gesellschaft zur Förderung Deutscher Kunst des 20. Jahrhunderts e.V. (FdK), Neuss.
1924 ersteigert durch Dr. Franz Goerger, seitdem in Familienbesitz.

Literatur:
Zweiter Jahresbericht der Gesellschaft zur Förderung Deutscher Kunst des 20. Jahrhundert e.V. Neuss 1917. Nr. 78
Adolf Erbslöh. Gemälde 1903 - 1945. Ausst. Kat. Von der Heydt-Museum. Wuppertal 1992. Vgl. Kat. Nr. 32.

Verkauft für 26.000 EUR

Adolf Erbslöh,
Sommer, 1911

In ruhigen Bahnen wickelte sich die Auktion Moderner Kunst am 12. Oktober 2006 beim Stuttgarter Versteigerer Nagel ab. Größere Überraschungen blieben weitgehend aus: Dass 50.000 Euro als Bewertungsmaßstab für Adolf Erbslöhs expressionistisch-sachliches Landschaftsbild „Sommer“ von 1911 ein wenig zu niedrig angelegt waren, konnte man fast erwarten. So war denn bei diesem Gemälde das Interesse auch ein wenig größer, und 125.000 Euro, die ein deutscher Kunsthändler freimachte, waren das Ergebnis. Damit rangiert das seit den 1920er Jahren im Besitz einer württembergischen Privatsammlung Bild auf Platz zwei im Ranking des Künstlers, nach einer „Berglandschaft“ ebenfalls aus dem Jahr 1911, die 2000 bei Grisebach in Berlin

380.000 Mark

kostete
.

Villa Grisebach
Aution Nr. 95, Katalog-Nr. 20

1. Dezember 2001

Adolf Erbslöh New York 1881 – 1947 Irschenhausen „BADENDE FRAUEN“. 1913 Öl auf Leinwand. 173 x 193 cm (68 1/8 x 76 in.).
Unten links signiert und datiert: A. Erbslöh. 13. Wille 78.– Sorgfältig restauriert. [3167]
Provenienz: Nachlaß des Künstlers / Privatsammlung, Süddeutschland
Ausstellung: Adolf Erbslöh, 1881 – 1931. Wuppertal-Barmen, Kunstverein, 1931, Kat.-Nr. 24 (lt. rückseitigem Aufkleber

Das Bild erhielt den Zuschlag bei
270.550 DM

BIETIGHEIM-BISSINGEN (ann) - Bildnismaler wollte er werden. Aber auf seinen Zeichnungen und Gemälden tauchen Menschen nicht auf. Auf dem Höhepunkt seines Schaffens hat Adolf Erbslöh vor allem dramatische Landschaften gemalt.

Seinem Weg „Vom Expressionismus zum neuen Naturgefühl" widmet die Städtische Galerie ihre neue Ausstellung, die am Samstag eröffnet wird.

Die 60 in Bietigheim gezeigten Zeichnungen entstammen der 200 Blätter umfassenden Sammlung des Wuppertaler Heydt-Museums, dem Stammsitz Erbslöhs. Die Ausstellung ist um einige Gemälde ergänzt und - um den zeitlichen und lokalen Zusammenhang herzustellen - auch um einige Arbeiten von Walter Strich-Chapelle.

Die Arbeiten des Schönleber-Schülers, der lange in Sersheim gelebt hat, sammelt die Städtische Galerie. Ihr Leiter, Herbert Eichhorn, glaubt noch einen anderen Zusammenhang herstellen zu können: Erbslöh und Strich-Chapelle, so glaubt er, haben Seite an Seite in Italien gemalt, die gleichen Motive aus nur wenig anderen Perspektiven zu Papier gebracht. Eichhorn hat deshalb die Zeichnungen der Maler-Kollegen nebeneinander gehängt.

Einem Sonderweg innerhalb der klassischen Moderne spürt die Ausstellung nach. Denn der Künstler, der sein Studium an der Akademie Karlsruhe begann, dann nach München ging und zum Kreis um Gabriele Münter und Wassili Kandinsky stieß (bei dem er auch Unterricht nahm), hat sich in den 30er Jahren wieder von der Neuen Sachlichkeit gelöst und den Weg zu eher romantischen, idyllischen Naturschilderungen gewählt.

So hat die zeichnerische Arbeit des 1881 geborenen Sohnes eines reichen Kaufmanns auch angefangen. Von einer Reise nach Südtirol brachte er die dramatisch nach oben strebende Kombination von Architektur und Gebirge mit. Ein Beispiel dafür ist eine kleine Zeichnung des Künstlerstädtchens Klausen, überragt und gekrönt vom Kloster Säben. Der Bleistift war sein Arbeitsmaterial, die Kontur sein Anliegen. Es gibt eine Bilderreihe von Capri, in der die Schattierungen immer weiter zurückgenommen werden, bis nur die Linie bleibt.

Das Zusammentreffen mit Münter und Kandinsky in Murnau, der Kontakt zur Künstlergruppe „Blaue Reiter" brachte die Wende: Mehr Abstrahierung, mehr Farbe, aber das gleiche Pathos. Gebäude, Berge, alles drängt nach oben. Seinen Höhepunkt erlebt diese Bildkomposition in einem großformatigen Ölgemälde im Obergeschoss der Galerie. Positano bei Neapel: Kegelförmig das dunkle Städtchen vor dem spitz und steil aufstrebenden Fels; dahinter eine strahlenförmige Lichtaura - etwas dramatisch Religiöses hat dieses Bild.

In den 30er und 40er Jahren zieht sich Erbslöh in sein Haus in Irschenhausen in Bayern zurück. Dem zeitlebens unpolitischen Maler verbieten die Nazis eine Ausstellung mit Arbeiten der Neuen Künstlervereinigung München. Erbslöh reist an den Bodensee und greift auf frühere Motive zurück. In seinen Spätwerken tritt die Dramatik und das Pathos zugunsten eines immer noch akkuraten, aber durchscheinenden, entspannten Strichs zurück.

Soweit der Zeitungsartikel. Falsch ist sicherlich die Aussage: "auf seinen Zeichnungen und Gemälden tauchen Menschen nicht auf". Das mag für die Ausstellung gelten, nicht jedoch für das Lebenswerk Adolf Erbslöhs. Es bleibt auch nachzutragen, daß nicht der Kontakt zur Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" die "Wende" gebracht hat. Vielmehr war es der Zusammenschluß von sich gegenseitig befruchtenden Künstlern in der "Neuen Künstlervereinigung München". Den Schritt zur Redaktion "Blauer Reiter" hatte Adolf Erbslöh nicht mitgemacht.

Ein Fragezeichen möchte ich weiterhin hinter die in diesem Artikel verwendeten Begriffe "Idylle" und "Pathos" setzen.

Andreas Erbslöh

Ludwigsburger Kreiszeitung,
27. Januar 2001
:

Häuser und
Berge stürmen himmelwärts

Galerie widmet Erbslöhs Weg
vom Expressionismus zum Naturgefühl eine Ausstellung
 


Von Münter und Kandinsky beeinflußt sind die Werke Adolf Erbslöhs aus seiner Münchner Zeit Bild: Schmidt




In den 30er Jahren weicht die Dramatik in den Bildern der Idylle. Repro LKZ
 
 

Erbslöhs „Berglandschaft“
für
437.000 DM versteigert

Bei der Herbstauktion 2000 der
Villa Grisebach Berlin
erzielte die „Berglandschaft“ von Adolf Erbslöh einen Preis von 437.000 DM. Näheres hier >>>

Aus Anlaß der 500-Jahr-Feier der Entdeckung Brasiliens zeigt das Wuppertaler Von der Heydt-Museum seine exquisite Sammlung expressionistischer Kunst im ehemals kaiserlichen Palast, dem Paco Imperial (6.8. - 24.9.2000) in Rio de Janeiro und in Sao Paulo, im Museo de Arte Moderna und im Museo Lasar Segall (10.10. - 10.12.2000).


Deutscher Expressionismus:
Ausstellung des Von der Heydt-Museums
im Paco Imperial von Rio de Janeiro, Brasilien

Das „Mädchen mit rotem Rock“ des Wuppertaler Malers Adolf Erbslöh ist z. Z. eine der bekanntesten Frauen in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro: Am berühmten Paco Imperial hängt das Plakat im Großformat und ist an vielen Stellen in der Stadt zu sehen.

„Expressionismo Alemano" gilt als wichtigste deutsche Ausstellung in Brasilien seit vielen Jahren, wahrscheinlich sogar Jahrzehnten. Die Wuppertaler Expressionisten-Ausstellung hat sich als bedeutendster und sichtbarster deutscher Kulturbeitrag in Brasilien der vergangenen Jahre mit einer eindrucksvollen Eröffnungsveranstaltung bestens eingeführt. Die großen Tages- und Wochenzeitungen und Zeitschriften berichten ganzseitig und mit großen farbigen Abbildungen über die Ausstellung mit Werken des Wuppertaler Von der Heydt-Museums.

„Deutscher Expressionismus" ist der Titel der Gemälde- und Graphik-Ausstellung mit berühmten Bildern von Erbslöh, Heckel, Jawlensky, Kandinsky, Kirchner, Macke, Marc, Modersohn-Becker, Nolde, Rohlfs und vielen anderen Künstlern. Insgesamt werden 80 Arbeiten von 25 Künstlern gezeigt, die einen repräsentativen Eindruck von den Hauptvertretern und den wesentlichen Strömungen des deutschen Expressionismus vermitteln. Ein umfangreicher, zweisprachiger Katalog begleitet die Ausstellung.

Neben dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut haben deutsche Firmen von Allianz und Adventis bis Siemens und Volkswagen die Ausstellung gesponsert und die Lufthansa hat den Transport der Werke unterstützt. Die Eröffnung mit rund 900 Gästen in Rio war in Anwesenheit von Persönlichkeiten aus Politik und Kultur, der deutsche Botschafter war gekommen, ein großer Erfolg. Viele der Teilnehmer sprachen von einer „sensationellen" Resonanz der Ausstellung aus Wuppertal, die die schönste und interessanteste sei, die seit langer Zeit in Rio zu sehen ist - mit Bildern, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts den „Aufbruch in eine neue Zeit" symbolisiert hatten.

Das große Interesse der Brasilianer für ausländische Kultur hat sich auch hier manifestiert, zumal in gelungener Weise eine Verbindung zu den brasilianischen Expressionisten geschaffen wurde. Viele Besucher waren der Meinung, daß eine solche wirklich repräsentative deutsche Veranstaltung lange auf sich habe warten lassen, und daß sie geeignet sei, das sehr von technischer Perfektion geprägte Deutschlandbild positiv zu beeinflussen.

Von der Heydt-Museum Wuppertal (08.09.2000):

Erbslöh in Brasilien
Riesenerfolg für Wuppertaler Expressionisten in Rio de Janeiro

Erbslöhs „Mädchen mit rotem Rock" übertrifft z. Z. die „Girls of Ipanema"


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