HANS WALDEMAR ERBSLÖH
IN DEN FAMILIENBERICHTEN 1914-1918











Hans Waldemar Erbslöh, 1916

Im 100. Geburtsjahr des Vaters, Großvaters und Urgroßvaters Carl Julius Erbslöh trafen sich seine Nachkommen im Juni 1914 in Bad Godesberg und gründeten den Familienverband Julius Erbslöh, der sich zum Ziel setzte, das Wohlergehen der Angehörigen zu fördern, das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit unter ihnen in guten und in schlechten Zeiten zu pflegen und bedürftige Familienmitglieder zu unterstützen. Die Schüsse von Sarajewo bereiteten dem fröhlichen Beisammensein ein jähes Ende.

Der kurz danach, am 10. August 1914, erschienene erste Familienbericht enthält aus der Feder des Schriftführers Carl Hugo Erbslöh, sen. das folgende Vorwort:

„Bei unserem ersten Familientag, welcher jedem von uns, der ihm beigewohnt hat, wohl unvergeßlich bleiben wird, habt Ihr mich zum Schriftführer des Familienverbandes gemacht. Niemand hätte sich damals die furchtbar ernste Lage, in welche uns die nächsten 5 Wochen bringen würden, auch nur in Gedanken ausmalen können. Heute ist es, glaube ich, unser gemeinsamer Wunsch, von dem gegenseitigen Ergehen und namentlich von dem unserer Söhne, welche im Feld stehen, baldigst Nachricht zu erhalten und ich denke, es ist Euch recht, wenn ich mich als Euer Schriftführer berufen fühle, Nachrichten über sie zu sammeln und sie an Euch weiterzugeben, denn wichtigere Vorgänge, wie sie die große Zeit für das Leben jedes Einzelnen von uns bringen wird, wird wohl keiner von uns wieder erleben."

In der Folgezeit sammelte er die Nachrichten über die im Felde stehenden Familienmitglieder und gab jene vervielfältigt an die Familie weiter. Bis zum Ende des ersten Weltkrieges wurden 132 solcher Berichte versandt, die uns noch heute vollständig im Original vorliegen.

Im folgenden sind als Auszüge aus der Gesamtzusammenstellung sämtliche Nachrichten von oder über Hans Waldemar Erbslöh (1880-1963) wiedergegeben.

Andreas Erbslöh, 1997

Auszug aus:

Familienverband Julius Erbslöh, Familienberichte 1914-1918 (Kriegsberichte), Redaktion: Carl Hugo Erbslöh sen., Düsseldorf, Abschrift 1996-97: Else Appelius, Redaktion: Andreas und Diethard Erbslöh, Zusammenstellung: Andreas Erbslöh, 1997

VORWORT
 

10. August 1914:

Hans Erbslöh war in Erfurt noch ohne Bestimmung, wohin er zu gehen hat.

20. August 1914

Familie Albert. Hans Erbslöh als Leutnant ist für eine Etappen-Munitionskolonne Nr. 24 des XI. Armeekorps. Er hatte viel Arbeit, seine Reservisten, mit denen er in der Gegend von Erfurt war, einzukleiden. Die Kolonne hat 3 Offiziere und ist mit 57 Fahrzeugen jetzt ausgerückt, wohin war noch unbekannt.

4. September 1914

Hans Erbslöh geht es bisher gut. Er ist durch Belgien gezogen und wurde seine Kolonne einmal im Walde beschossen. Die Mitteilung hierüber an ein vorbeifahrendes Automobil hatte zur Folge, daß der Ort, aus dem die Schießenden gekommen waren, niedergebrannt wurde.

Johanna Erbslöh hat erfahren, daß das 11. Armeekorps, zu dem Hans (Erbslöh) und Walter gehören, schon seit Freitag auf dem Weg zur Ostgrenze ist.

19. September 1914

Hans Erbslöh gehört jetzt zur III. Armee. Er schreibt aus Juniville vom 5. Sept., daß der Familienbericht die erste Nachricht von der Heimat war, die ihn am 1. Sept. erreichte.

„Gestern hat meine Kolonne bei Rocroi die französische Grenze überschritten ... wir haben anstrengende Märsche hinter uns ... 40 Klm am Tag ist das übliche ... Sehr schmerzlich ist es uns, daß man hinter der Gefechtslinie so wenig erlebt ..."

3. Oktober 1914

Von Eisenach wird mir noch Nachricht, daß von Hans (Erbslöh) am 30. Sept. gute Nachricht aus Ligny kam. Seiner Adresse muß jetzt noch „Feldpoststation 46" zugefügt werden.

17. Oktober 1914

Aus Eisenach schreibt Johanna Erbslöh

„Hans ist bei Rethel. - Die sehr anstrengenden Märsche scheinen die Pferde mehr anzugreifen als die Menschen, denn Hans muß alle paar Tage einige Pferde einhandeln, als Ersatz für die unbrauchbaren. Das Geschäft verliefe immer sehr kurz und nicht ganz schmerzlos für die Pferdebesitzer (franz. Bauern) da keine Luxuspreise bezahlt würden. Hans war sehr freudig überrascht, als er kürzlich auf der Straße in R. unseren Vetter Oberstabsarzt Matthes begrüßen konnte, von dessen Anwesenheit er keine Ahnung hatte."

24. Oktober 1914

Hans Erbslöh schreibt unter dem 2.10 aus einem Orte bei Rothel:

„Ich danke Dir herzlich für Deine regelmäßig eingehenden Familienberichte und die Berichte der Handelskammer, die ich stets mit großem Interesse lese. Letztere sind für mich deshalb von besonderem Interesse, weil ich Zeitungen nur selten erhalte und deshalb von den Vorgängen in der Front nur wenig erfahre, wenigstens nicht in zusammenhängender Form. Unsere Tätigkeit besteht nach wie vor im Aufnehmen von Munition an den Eisenbahndepotstellen und im Vorschaffen derselben zu den hinter der Front errichteten Depots oder in der Abgabe an die Artillerie- & Infanteriemunitionskolonnen. Zur Zeit erholen wir uns auch mal etwas von den anstrengenden Märschen (tägl. ca. 40 - 50 Klm.) was vor allem unseren Pferden sehr not tat. Wir liegen hier seit 2 Tagen in B. einem Dörfchen bei Rothel, das durch die Kämpfe an der Aisne sehr gelitten hat, liegt in Trümmern. Wir beschäftigen uns hier mit Pferdepflegen, Haferdreschen und Hafereinfahren. Die Bewohner sind im Gegensatz zu den Belgiern sehr friedlich und zuvorkommend. Sie schimpfen auf die Regierung, die den Krieg angefangen habe und erkundigen sich angelegentlich. ob es nicht bald Frieden gäbe; wenn sie dann Deutsche würden, so sei es ihnen auch recht. Das ist mir in den verschiedensten Ortschaften von den verschiedensten Leuten oft gesagt worden."

Am 14.10. berichtet er noch aus Rozoy-sur-Serre, daß er seit dem 11. ds. zur 7. Armee gehört. Seine Adresse ist entsprechend geändert in: Etappen-Munitionskolonne 27. Etappeninspektion.

14. November 1914

Über Hans Erbslöh heißt es in einem Briefe seiner Mutter:

„Von Hans hatten wir vor wenigen Tagen gute Nachrichten. Seit seinem Übertritt zur VII. Armee kann er mehr auf ständigere Quartiere rechnen, bisher wechselten diese täglich und fielen sehr verschieden aus. So hatte er manchmal das Dach eines Schlosses, dann einer elenden Bauernhütte oder häufig auch den freien Himmel über sich. Jetzt ist Hans sehr gut bei einem Notar einquartiert, der zu seiner Truppe ausgerückt ist."

21. November 1914

Hans Erbslöh hat im Kriege den Humor nicht verloren, wie es aus den an Gustav v. Eynern aus Rozoy s/Serre gerichteten Versen vom 9. ct. hervorgeht:

Eure braunen Tabakrollen
haben sehr gefreut mein Herz,
und wenn ich sie jetzt in vollen
Zügen sende himmelwärts,
Fühl ich mich dem Vaterlande
Und den Sendern dieser Spende
An dem grünen (?) Wupperstrande
Näher dann ein ganzes Ende.
Dankbar hebe ich den Becher
Angefüllt mit rotem Spohn
(Leider nichts für'n deutschen Zecher,)
Ruf in lautem Kriegerton:
„Hoch der Vetter, Hoch die Base,
Die so sehr verständnislich
Für die rauchgewohnte Nase
Des Soldaten zeigten sich."

11. Dezember 1914

Hans Erbslöh hat auf der Durchreise nach Rußland von Barmen aus eine Karte geschrieben nach Eisenach. Das genauere Reiseziel war ihm noch nicht bekannt. In Berlin hat ihn die Frau des Kolonnenführers wohl und frisch und voller Zuversicht gesehen. Inzwischen wurde derselben die telegrafische Nachricht, daß die Kolonne in Rußland angekommen ist. Die Adresse von H. ist jetzt „Etappen Munitionskolonne 24, Etappen Inspektion 9".

9. Januar 1915

Johanna Erbslöh berichtet von Hans (Erbslöh) wie folgt:

„Er schreibt von seiner Ankunft in Kalisch: Kalisch war derartig belegt, außerdem liegt es zum Teil in Trümmern, daß wir nur mit Mühe unterkamen. Ich erst ½ 1 Uhr in einem sogenannten Hotel, wo ich auf einer Matratze im Billardzimmer eine Ruhestatt fand. Am nächsten Tag 51 km Marsch nach Sieradz. Dort Quartier in einer Bodenkammer mit scheibenlosen Fenstern. Von da am nächsten Tag nach Idunska-Wala. Wir kamen bei einem würdigen alten Judenpatriarchen unter, aber der Dreck!! Als ich Quartier machte, lag in dem einen Bett die Judenmama, im anderen die Filia, die Leute hatten kein Heizmaterial mehr und wärmten sich auf diese Weise.

Als wir eine Stunde später das Quartier bezogen, war die Bettwäsche natürlich nicht gewechselt, da tat der Schlafsack mal wieder gute Dienste. Mit deutsch kommt man übrigens völlig durch, alle Juden sprechen unsere liebe Muttersprache und ein großer Teil der christlichen Polen ebenfalls."


Acht Tage später schreibt Hans:

„Wir haben jetzt tüchtig zu tun und sind ständig zwischen Sieradz und Lask unterwegs. Unser Quartier ist für die nächste Zeit Idunska-Wola, ein Ort von 40.000 Einw. Durch einen glücklichen Zufall fanden wir eine glänzende Wohnung in einem ganz neuen Hause. Der Besitzer ist verduftet. Wir hausen da in einer wohleingerichteten Etage ganz für uns und auch der landesübliche Dreck fehlt. In der Stadt herrscht ein durchaus friedliches Leben und Treiben; die meisten Läden sind geöffnet und auf den Straßen treibt sich das Publikum - meist Juden - umher, betrachtet neugierig die vorbeiziehenden Truppen und schachert mit ihnen nach Leibeskräften. Es wird sehr viel Rücksicht auf die Bevölkerung genommen, „Bons" sind verboten, es muß alles bar bezahlt werden. In der Front stehen mit uns Österreicher, wie man sagt, nicht zu unserer reinen Freude."


Hans schreibt nun ferner aus Lowics den 23.12.:

„Seit drei Wochen sind wir nun schon in Russisch-Polen und sind angenehm enttäuscht. Ich kann nicht behaupten, daß wir die Nachricht von unserem Abtransport aus Frankreich am 29. November sehr freudig begrüßt hätten; wenn uns auch nicht mitgeteilt wurde, wohin die Reise gehen sollte, so war es uns doch keinen Augenblick zweifelhaft, daß wir den Osten, wo eine neue Armee gebildet worden war, mit unserer Tätigkeit beglücken würden. Bilder von grundlosen Wegen, metertiefem Schnee, eisigem Frost und furchtbarem Schmutz schwebten uns vor, aber es ist alles bei weitem nicht so schlimm, wie wir es uns vorgestellt hatten. Heute hatten wir den ersten Schnee und das Thermometer treibt sich nur wenige Grade unter dem Nullpunkt herum; die Wege sind zwar im Vergleich mit den belgischen und französischen Straßen jammervoll, aber wir haben bis jetzt mit Ausnahme zweier Marschtage das Glück gehabt, uns stets auf einigermaßen gut erhaltenen Staatschausseen bewegen zu können und haben auch mit unseren Quartieren einigermaßen Glück gehabt. In der ersten Zeit betätigten wir uns in der Gegend von Lodz, seit 8 Tagen sind wir mit dem 2. Armeekorps, dem wir z.Zt. zugeteilt sind, nordöstlich gewandert. Augenblicklich liegen wir in Lowicz, das erst am vergangenen Mittwoch nach heftigen Kämpfen den Russen entrissen worden ist. Gestern erfolgte ein starker Angriff der Russen gegen unsere ca. 11 km von hier entfernte Front hinter Kompnia, der aber abgeschlagen worden ist. In der Umgebung von L. liegen fast sämtliche Dörfer in Schutt, die Stadt selbst hat wenig gelitten, nur haben fast sämtliche Fensterscheiben daran glauben müssen, so heftig wirkte der durch die Kanonade erzeugte Luftdruck. - Die österreichischen Motorbatterien haben tüchtig mitgewirkt, wir trafen die Ungetüme gestern auf dem Marsch. In der Stadt herrscht ein lebhaftes Leben und Treiben. Die Bevölkerung geht, nachdem sie sich vom ersten Schreck erholt, eifrig ihrer Beschäftigung nach und vor allem die jüdische sucht in der unverschämtesten Weise unser Militär mit allem möglichem Kram zu begaunern. Es werden hier haarsträubende Preise gefordert und gegen Bon darf im Gegensatz zur Übung in Frankreich nichts gekauft werden. Heute hat die Kommandantur endlich Höchstpreise festgesetzt. Sehr schmerzlich empfinden wir das Ausbleiben jeglicher Post, wir haben seit dem 29. Nov. keinen Brief, keine Zeitung, geschweige denn Pakete erhalten. Letztere hätten wir schon deshalb gern gehabt, weil wir unseren Leuten eine kleine Weihnachtsfeier bereiten wollen, die ganz ohne Geschenke etwas kümmerlich ausfallen wird."

30. Januar 1915

Hans Erbslöh schreibt am 23.ds. aus Lowicz und dankt den Freunden und Verwandten für die vielen Weihnachtsgaben, die als Neujahrsüberraschung nach vierwöchentlicher Pause der Post ankamen. Er beschreibt die schöne und stimmungsvolle Feier am Weihnachtsabend, die allen Teilnehmern in schöner Erinnerung bleiben wird:

- - - - „Eine kurze packende Ansprache des Kommandeurs eröffnete die Feier, die dann bei Gesang von Weihnachts- und patriotischen Liedern, Vorträgen eines Gesangs- und eines Instrumentalquartettes und späteren humoristischen Aufführungen sehr würdig und unterhaltend verlief. Am Sylvesterabend erwarteten wir Offiziere unter uns das neue Jahr, das von den Glocken sämtlicher Kirchen der Stadt eingeläutet wurde. -- Wir liegen noch immer in Lowicz, da sich seit unserer Ankunft die Gefechtslinie nur wenig vorgeschoben hat. Bis L. wird die Munition mit der Bahn vorgeschafft und von hier aus bringen wir sie dann an die Front. Unser gewöhnliches Ziel ist Nieborow, das ca. 10 km, oder Bolinow, das ca. 15 km entfernt ist. In Nieborow befindet sich ein prachtvolles Schloß des Fürsten Radziwill mit großem herrlichem Park, das jetzt von 2 Generalkommandos belegt ist. Bolinow ist stark zerschossen, noch täglich werfen die Russen einige Granaten in den Ort."

6. März 1915

Hans Erbslöh schreibt u. d. 19.Febr. aus Lowicz nach Barmen wie folgt:

„Als große freudig begrüßte Überraschung kam vor ungefähr 8 Tagen Euer Weihnachtspaket an. Ich danke Euch von Herzen für Euer freundliches Gedenken und Eure guten Gaben. Ihr habt mir eine große Freude bereitet. Über 8 Wochen hausen wir nun schon in Lowicz und haben hier viel Interessantes gesehen und erlebt. Wenn es sich auch in Frankreich angenehmer lebt, so befriedigt uns doch unsere Tätigkeit hier weit mehr. Auch stehen wir hier mehr im Kriegsgetriebe, während wir in Rozoy, unserem Standquartier in Frankreich, ein beschauliches Dasein führten, bei dem man das Gefühl nicht los wurde, etwas überflüssig zu sein. Hier flutet frisches Soldatenleben. Fast täglich durchziehen Scharen junger begeisterter Soldaten die Stadt, um zu der ca. 18 km entfernten Front zu gelangen. Am Anfang des Monats fanden starke Truppendurchzüge von der Front her statt, es waren Mannschaften, die nach Ostpreußen gebracht wurden, wo sie die letzten herrlichen Siege mit erfochten haben. Am 7. d.M. kam der Kaiser von Lodz her durch, um die Truppen bei Kompnia und Bolimow zu sehen. Alle in der Nähe liegenden Regimenter hatten Abordnungen von Offizieren und Mannschaften geschickt, die in der Nähe von Lowicz und in Nieborow Aufstellung nahmen und vom Kaiser begrüßt wurden. Unsere Leute hatten in L. auf dem neuen Markt - jetzt Hindenburgplatz - Spalier gebildet, leider konnten wir den Kaiser nur sehr flüchtig sehen, da er im geschlossenen Auto ziemlich schnell vorüberfuhr. -- Der gelinde Frost, der uns das Marschieren auf den üblen polnischen Landstraßen sehr erleichterte, ist seit einigen Tagen vorüber und grundloser Schmutz liegt wieder auf den Chausseen und Straßen der Stadt. Allmählich hat sich die hier nicht gerade glänzend funktionierende Kommandantur aufgerafft, durch Juden, Polen und russische Kriegsgefangene etwas Sauberkeit zu schaffen. In Rozoy war es ein Vergnügen zu sehen, in wie mustergültiger Weise die dortige Kommandantur ihre Aufgaben erfüllte: Die Landesvorräte für uns nutzbar machte, Chausseen verbesserte, die Truppen mit Lebensmitteln und Heizmaterialien aus dem Lande versorgte (es wurden sogar Meiler angelegt, um Holzkohle für die Mannschaften in den Schützengräben zu gewinnen) und die Stadt, dessen maire ausgerückt war, zu verwalten. Kommandant war dort ein Landwehrhauptmann Burberg, im Civilleben Fabrikant in Mettmann, sein Adjutant ein Landgerichtsrat aus einer rheinischen Stadt. Solche Leute sind für diese Posten viel mehr am Platze als alte abgetakelte Obersten und Majore, denen es häufig an der nötigen Initiative fehlt. Wir warten seit einigen Tagen auf den Befehl zum Abmarsch, vermutlich werden wir etwas nach Süden verlegt. Lieber wäre es uns schon, wenn wir in ganz andere Gegend, vielleicht nach Serbien kämen, um wieder etwas Neues kennen zu lernen."

10. April 1915

Mehrfach wurde es bedauert, daß die Familienbriefe seit einiger Zeit gar nichts von Otto Scheibe und Hans Erbslöh berichten.

O. Walter (Erbslöh) und Hans Erbslöh sind in letzter Woche zu Oberleutnants befördert worden, wozu wir ihnen herzlich Glück wünschen.

17. April 1915

Von einem Briefe von Hans Erbslöh vom 2. d.M. - Landgut Sobota - sendet seine Mutter den folgenden Auszug:

„Wir sind noch immer auf unserem Landgut. Ob der Besitzer uns so aufrichtig schätzt, wie er sich den Anschein gibt, möchte ich allerdings bezweifeln. Sicher sind wir ihm aber lieber als die Russen; denn diese sehen die Polen alle als ihre Unterdrücker an, während sie von uns ihre Freiheit und die Wiederherstellung des Königreichs Polen erhoffen. Die Gebildeten geben sich übrigens viel liebenswürdiger als die Bauern. Letztere gehen meist grußlos vorüber und selten wünscht einer „Guten Tag". Da waren die Franzosen ganz anders, obwohl sie unsere Feinde sind, während die Polen stets, vor allem bei Requisitionen, betonen, daß wir ja mit ihnen gar keinen Krieg führen, sondern nur mit den Russen. In der Umgebung des Gutes haben wochenlange heftige Kämpfe stattgefunden. Das Dorf und das Gut sind wunderbarerweise gar nicht beschädigt worden, während alle benachbarten Dörfer nur Schutthaufen bilden. Weit und breit durchziehen Schützengräben die Felder. In einem naheliegenden Walde haben wir heute eine Feldstellung der Russen besichtigt. Es ist das eine völlige unterirdische Stadt, in der gewaltige Menschenmengen gelegen haben müssen. Unser Oberfeuerwerker benutzte seine Mußestunden, um russische Blindgänger zu sprengen. In 3 Tagen hat der Mann ungefähr 50 Stück vernichtet, ausschließlich russische. An deutschen fanden wir nur ein blindgegangenes Geschoß .... Heute und in den vorhergehenden Tagen war wieder herrliches Frühlingswetter. Die Störche, die hier sehr häufig angetroffen werden, sind vor einigen Tagen einpassiert. Mehr als die Störche interessieren mich die Kiebitze, sie bevölkern in Scharen die sumpfigen Wiesen. In einigen Tagen geht's auf Kiebitzeiersuche."

Hans hat augenblicklich nicht viel zu tun, da ja im Osten ziemliche Ruhe herrscht.

12. Mai 1915

Einem Brief von Hans Erbslöh aus Sobota v. 4.5. entnehme ich folgendes:

„Wir können es wohl jetzt wagen, daran zu denken, daß dieser furchtbare Krieg, wenn auch ganz allmählich, seinem Ende zugeht, nachdem in den letzten Tagen dieser herrliche große Sieg in den Waldkarpathen erfochten worden ist.

Wir erhalten soeben die Nachricht und unsere Freude ist unbeschreiblich. Ich bedaure nur, daß ich den Siegesjubel in der Heimat nicht miterleben kann; das muß ein wunderbares Gefühl sein. Nun wird hoffentlich auch bald unseres Bleibens in Sobota ein Ende sein und werden wir unsere eigentliche Tätigkeit wieder aufnehmen. Immerhin werde ich mich unseres Aufenthalts hier stets gern erinnern, denn wir haben schöne Tage auf diesem prächtigen Fleckchen Erde verlebt. Ich hätte gar nicht gedacht, daß das eintönige flache Polen so schöne Plätze aufzuweisen hätte. Dabei haben wir in den letzten Tagen das herrlichste Wetter gehabt. Unsere freie Zeit verbringen wir mit Spaziergängen, Ritten, Fischen und Jagen. Letzterem Sport habe ich bisher nicht gehuldigt, habe aber jetzt viel Freude daran. Rehwild, Hasen und Hühner haben zwar Schonzeit, doch gibt's genug Karnickel, Wildenten, Raubvögel und auch Bekassinen, um einen bescheidenen Jagdeifer zu befriedigen."

26. Juni 1915

Hans Erbslöh teilt aus Eisenach unter dem 22. ds. Mts. mit, daß er zu Hause einen 14tägigen Urlaub verlebt - eine große Wohltat nach über 10 monatl. ununterbrochener Abwesenheit. Er traf in Eisenach alle Lieben wohl an.

10. Juli 1915

Hans Erbslöh ist Ende voriger Woche von Eisenach wieder nach dem Osten zurückgekehrt.

17. Juli 1915

Hans Erbslöh schreibt u. d. 10. d. Mts.:

„Am 26. Juni bin ich vom Urlaub zurückgekehrt und habe die Kolonne noch im alten Quartier vorgefunden. Wenige Tage danach mußten wir jedoch 2 Regimentsstäben Platz machen und uns ein anderes Heim suchen. Seit gestern bin ich zur Vertretung des Adjutanten bis auf weiteres zur Abteilung kommandiert und bin wieder nach Lowicz zurückgekehrt, wo wir den größten Teil des Winters gelegen haben."

24. Juli 1915

Ein gemeinschaftliches Briefchen von Hans Erbslöh und Hellmuth Weiß lautet:

„Lowitz, den 19.7.15, L.O.H.

Zu meiner großen Freude habe ich hier zufällig Hellmuth getroffen, leider können wir nur kurze Zeit zusammen sein. Wir grüßen Dich, Tante Adele und die Verwandten herzlich. Gestern erhielt ich die Nachricht, daß mir das Eiserne Kreuz verliehen worden ist und daß ich als Adjutant zur Abteilung versetzt worden bin.

Herzlichst Hans Erbslöh"

14. August 1915

Von Hans (Erbslöh) wurden mir durch Karte vom 8.8.15 die folgenden Nachrichten:

„Die Abteilung ist vorgestern nach Shicardow (an der Bahn Warschau - Skierniewisc) verlegt worden. Gestern fuhren wir nach Warschau hin. Ein hochinteressantes Erlebnis. Um den rechts der Weichsel gelegenen Stadtteil Praga wird noch gekämpft. 200 m hinter unseren Schützenlinien am linken Weichselufer flutete in einer Hauptstraße, der „Neuen Welt", das Großstadtleben. Alle Geschäfte waren geöffnet, alle Cafés überfüllt; sog. Künstlerkapellen spielten. Soldaten sieht man verhältnismäßig wenige. Das Publikum bestaunte jeden. Herzliche Grüße allen."


21. August 1915

Hans Erbslöh schreibt aus Schirardow:

„Einige Tage nach unserer Übersiedlung nach hier machte ich noch eine dienstliche Fahrt nach Blonie, das gerade von unseren Truppen besetzt worden war. Die Russen hatten an ihren Rückzugsstraßen schön gehaust. Ein großer Teil der Dörfer und Güter waren niedergebrannt, das Getreide hatten sie mit großen Baumstämmen niedergewalzt. Blonie selbst ist unversehrt, nur fehlen in den von den Besitzern verlassenen Häuschen alle Möbel und sämtliche Türklinken aus Messing. Jeder Mann trägt daher ständig eine Türklinke bei sich, wie man ein Taschenmesser oder Feuerzeug bei sich führt.

Schirardow ist ein Fabrikstädtchen. Der ganze Ort lebt oder vielmehr lebte von einer großen Baumwollweberei (Hille & Sittrich), die ca. 9000 Arbeiter beschäftigte. Wie der Name besagt, ist das eine deutsche Gründung, jetzt Aktiengesellschaft, die auch von den Deutschen geleitet wird. Wohl aus diesem Grund haben die Russen vor ihrem Abrücken den größten Teil der Fabrik gesprengt und abgebrannt. Tausende von Arbeitern sind dadurch brotlos geworden und es herrscht große Not im Ort. Ein großer Teil der Leute wird von uns mit Erntearbeiten beschäftigt. Viele Fabrikgebäude waren erst vor einigen Jahren neu aufgebaut und mit neuen Maschinen versehen worden. Jetzt liegt das alles in Schutt und Asche. Ein alter Arbeiter, der uns führte, heulte beinah, als wir vor der in Trümmern liegenden Weberei standen, in der er 40 Jahre gearbeitet hatte.

Am 7.ten war ich mit Hauptmann Stens in Warschau und das war wohl eines der interessantesten Erlebnisse des Krieges. Auf dem Wege dorthin, ungefähr 55 km, sahen wir eine stark befestigte russische Stellung hinter der anderen, die aber kampflos aufgegeben worden waren. Andernfalls hätten wir wohl nur mit sehr starken Kräften und unter ungeheuren Verlusten gegen Warschau vordringen können. Die äußeren Stadtteile Warschaus machen einen miserablen Eindruck, schlechtes Pflaster, häßliche verfallene Häuser, vor denen die schmierigen Bewohner, meist Juden, hocken. Das ändert sich mit einem Schlage, wenn man die innere Stadt betritt. Hier sind die Straßen breit, mit Bäumen bepflanzt und mit gutem Pflaster versehen. Ganz Warschau schien auf den Beinen zu sein, um sich die Barbaren anzusehen. Überall sah man Trupps von Einwohnern, die sich um einen Soldaten versammelt hatten. Wir fuhren durch einige Hauptstraßen, überall dasselbe Bild. Menschen, Droschken, überfüllte Straßenbahnen. Alle Geschäfte waren geöffnet, in den Restaurants und Cafés kaum ein Stuhl frei. Hier gab's was das Herz begehrte, nur keine Milch und kein Bier. Und 200 m weiter an der Weichsel knatterten die Maschinengewehre und funkten unsere Infanteristen, denn dort war die deutsche Stellung, während die Russen die auf dem rechten Weichselufer gelegene Vorstadt Praga besetzt hielten. Die von den zerstörten Weichselbrücken senkrecht auf eine der belebtesten Straßen mündenden Straßen waren abgesperrt, da hier die Russen hereinschossen. Die Menschen strömten bis zur Straßenecke und machten dann kehrt. Niemand kümmerte sich um die Schießerei. Alles bummelte vergnügt und heiter, wie im tiefsten Frieden, auf den Straßen. Solche Gegensätze sind unfaßlich, wenn man's nicht mitangesehen hat. Unsere Leute konnten tatsächlich aus dem Schützengraben in ein elegantes Großstadtcafé gehen, sich einen „Schwarzen" genehmigen und wieder auf ihren Posten zurückkehren.

Inzwischen ist Praga ja von den Russen geräumt worden und unsere Stellung befindet sich hinter Warschau. Leider haben die Russen überall gründlich aufgeräumt und die militärische Beute wird nur gering sein. In den Forts befindet sich kein Geschütz, keine Munition, kein Gewehr mehr."

Eine spätere Karte von Hans (Erbslöh) besagt, daß er von Schirardow nach Warschau gerückt ist.

28. August 1915

Hans (Erbslöh) schreibt u. d. 17. August an Tante Laura:

„Ich danke Dir herzlich für die vorzüglichen Zigarren, die mich mit Deinem freundlichen Glückwunsch noch in Lowicz erreichten. Bald darauf siedelten wir nach Schirardow, von da nach Warschau und seit vorgestern sind wir in Liedlich, wo wir wohl längere Zeit bleiben werden. Für eine Gouvernements- und Garnisonstadt von 30-40000 Einwohnern ist L. reichlich schmierig und unmodern. Kanalisation, Wasserleitung, Gas sucht man vergeblich, dafür erfreut uns aber ein Pflaster, für das man in einer deutschen Stadt von 3000 Einwohnern den Magistrat steinigen würde. Wir hoffen, daß sich die Bahn recht bald bis hierher durchführen wird, damit wir endlich wieder regelmäßige Post erhalten."

11. September 1915

Hans Erbslöh schreibt aus Drokiczyn d. 25. Aug.:

„Seit dem 20. Aug. sind wir hier am Bug. Der Weg dahin war für unser Auto recht beschwerlich. Die Bugbrücke war verbrannt, die Auffahrt zur Pontonbrücke aber derartig sandig, daß wir nur mit 4 Pferden Vorspann durchkamen. Drokiczyn ist ein kleines, schmutziges Nest, aber wundervoll gelegen. Wir wohnen in einem hoch über dem Bug gelegenen Kloster, das allerdings als solches schon lange nicht mehr benutzt wird. Die Aussicht von unserem Zimmer geht viele km weit über Wiesen und bewaldete Hügel. Kurz nach unserer Ankunft erhielt ich, wie schon mal vorher, eines Abends den Auftrag, bis zum nächsten Morgen 10 Uhr aus der Umgebung 120 Gespanne zusammenzutreiben und aus ihnen eine Kolonne zusammenzustellen. Die gemachten Erfahrungen konnte ich mir zunutze machen und zur befohlenen Zeit stand die Kolonne fix und fertig zum Abmarsch bereit. Die Aufgabe ist für jemanden, der das noch nicht gemacht hat, nicht einfach; vor allem wenn die ausreichenden Hilfskräfte fehlen. Es muß ein Führer, Offizier, Unteroffizier, Mannschaft besorgt werden, für Quartier und Verpflegung ist Vorsorge zu treffen. Das Zusammenbringen der Gespanne ist eine Hundearbeit, da die Polen, obwohl ihnen 5 M pro Gespann und Tag zugesagt werden, sich schleunigst dünn machen, weil sie in dieser Beziehung recht trübe Erfahrungen mit den Russen gemacht haben, die ihnen Prügel anstatt Geld verabfolgten. Unseres Bleibens wird hier nicht lange sein. Übermorgen gehts vermutlich weiter.

Mielejezyol, d. 1.Sept.:

Morgen kommen wir an den Rand des Bielowischen Urwaldes nach einem ganz kleinen Nest, östlich von Bielsk. Nach der Generalstabskarte, die recht gut ist und die dem russischen Generalstabsoffizier, von dem unser Kriegsministerium sie gekauft hat, sicher viel Geld eingebracht hat, hat der Ort 13 Gehöfte. Wie wir da neben der Etappenkommandantur, einer Landsturmkompagnie und einem Zug Ulanen unterkommen sollen, ist mir vorläufig noch ein Rätsel. Mit der Verpflegung wird's faul aussehen. Es kostet sehr, sehr große Anstrengungen, unsere Truppen mit Nahrungsmitteln und Futter zu versehen, da die Bahn noch nicht geht und die Kolonnen große Strecken auf den miserablen Sandwegen zurücklegen müssen. Wir werden wohl auf die Wisentjagd gehen müssen; hoffentlich haben uns die Russen noch etwas übrig gelassen. - Vor einigen Tagen ist mir das „Ritterkreuz II. Abt. mit Schwertern des Großherz. Hausordens vom weißen Falken" verliehen worden."

Dem lieben Hans herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung!

15. Oktober 1915

Hans Erbslöh, der immer weiter in Rußland vorrückt,schreibt am 27. Sept. von Rohotna:

„Die ersehnte Ruhe in Wolkowysk, von der ich schrieb, haben wir gehabt; 8 Tage haben wir dort gelegen. Zu tun gab's natürlich auch tüchtig, aber wir waren wenigstens nicht fortwährend auf der „Achse". Unser neuer Wohnsitz Rohotna liegt ca. 35 km nördlich Slonim, leider nicht an einer festen Straße, sondern im Sande. Der Ort besteht nur aus einigen elenden Gehöften und einer größeren griech.-kath. Kirche. Diese war bis vor 25 Jahren noch römisch-kath., dann wurde sie von der russ. Regierung kurz und schmerzlos umgetauft, sie erhielt zwei Kuppeln und einen Popen und die orthodoxe Kirche war fertig. Die kath. Polen müssen jetzt 14 km weit laufen, wenn sie einem Gottesdienst beiwohnen wollen. In der Nähe des Dorfes liegt ein Gut und in dieses haben wir uns einquartiert. Die Wohnung war durch russische Truppen, die länger hier gehaust hatten, übel zugerichtet, jetzt sieht sie nett und sauber aus und ein Teil der Möbel ist auch noch vorhanden. Nach der Erzählung des Inspektors waren nach Abzug der Russen die Kosaken grade im Begriff, das ganze Gut anzustecken, als die ersten Deutschen in den Ort marschierten, so blieb es verschont. Das systematische Vernichten aller Vorräte ist doch recht, recht übel für uns. Der Nachschub der Lebensmittel ist ungeheuer schwierig, da er größtenteils durch Gespanne erfolgen muß. Die wenigen festen Straßen sind durch die Russen gründlich zerstört worden. Nicht nur sämtliche Brücken und Durchlässe sind gesprengt oder verbrannt, sondern die Straßendecke selbst ist durch schwere Pflüge, die durch Lokomobilen gezogen wurden, aufgerissen worden. Teilweise haben sie diese Pflüge nicht mehr fortschaffen können, sie lagen noch auf der Straße. Da dauert es oft 14 Tage bis die Straße für Lastautos hergestellt ist. Besonders liebevoll hatten sich die Russen der Chaussee Prnzana-Rozana angenommen. Hier sahen wir auch ein Stück Kriegselend, so eigenartig, wie ich's bisher noch nicht zu sehen bekommen hatte. An der Stelle, wo die Straße in einen großen kilometerlangen Sumpf einmündet, um alsdann weiterzugehen, waren die Wiesen links und rechts der Chaussee in einer Länge von ca. 1 km übersät mit Bauernwagen, Hausgerät und Kleidungsstücken; Flüchtlinge, die vor den Russen herzogen, hatten hier offenbar die Straße für die eilig zurückgehenden Truppen frei machen und ihre Habe im Stich lassen müssen, da sie wegen des Sumpfes neben der Straße nicht weitermarschieren konnten. Viele von ihnen sind dann wohl zwischen die kämpfenden Truppen geraten und das werden die Landeseinwohner gewesen sein, die die Russen nach unseren Zeitungsberichten vor ihre Front gejagt haben, um sich Deckung zu schaffen. Ich glaube nicht, daß es in der Absicht der Russen gelegen hat, die Bauern als Kugelfang zu benutzen."

6. November 1915

Hans Erbslöh schreibt aus Lowicz am 23.10.:

„Wir sitzen noch im alten Quartier und rüsten uns für den Winter. Ich werde die Ruhe benutzen, um einen Urlaub nachzusuchen."

4. Dezember 1915

Von Hans Erbslöh erfahre ich aus Rohotna unter dem 27. Nov., daß er seinen dreiwöchigen Urlaub hinter sich hat und in Eisenach alles wohl antraf. Mit Hildegard und ihrem Mann konnte er auf der Hin- und Rückreise einige Stunden in Berlin zusammen sein.

22. Januar 1916

Hans (Erbslöh) schreibt vom Truppenübungsplatz Jüterbog Altes Lager u. d. 18. ds.:

„Vielleicht hast Du schon gehört, daß ich von Anfang Januar ab für 4 Wochen zu einem Ausbildungskursus für Batterieführer nach Jüterbog kommandiert bin. Ich habe das Kommando mit Freuden begrüßt, denn es brachte mir ein kurzes Wiedersehen mit Mama in Eisenach und eine Abwechslung in das recht eintönige Leben im Stellungskrieg. Ich lag mit der Abteilung zuletzt in Zdziemiol, einem kleinen schmutzigen Judennest, westlich Nowo-Grodek in der Nähe der Bahnlinie Lida-Baranowitschi. Hier feierten wir das Weihnachtsfest in ebenso schöner und harmonischer Weise wie im vergangenen Jahr. Wenige Tage später erhielt ich die Nachricht von meiner Kommandierung und am Neujahrstag konnte ich in Eisenach sein.

Der Dienst hier bei der Schießschule ist anstrengend und verläuft so, wie ihn ähnlich Siegfried vor einigen Monaten in Beverloo kennen gelernt haben wird. Von morgens 8 bis abends ½ 6 Uhr Geschützexerzieren, Schießunterricht, Vortrag usw., Scharfschießen. Der interessanteste Teil des Kursus findet leider nur 4 Mal statt, vermutlich weil der Schießplatz sehr stark belegt ist, vielleicht auch weil mit Munition gespart werden soll. Die ganze Sache ist für mich nicht neu, da ich bereits vor 6 Jahren einen ähnlichen Kursus mitgemacht habe; der Dienst war damals allerdings friedensmäßiger.

Nach Beendigung des Kursus werde ich wohl zunächst in meine alte Stellung zurückkehren."

20. Mai 1916

Hans (Erbslöh) schreibt aus Jdziencid am 8. Mai:

„Vorgestern sind der Major und ich von unserer viertägigen Reise zurückgekehrt. Es hat mir wohlgetan, mal aus dem Einerlei rauszukommen, Neues zu sehen, neue Eindrücke zu gewinnen. Am Mittwoch vormittag ½ 5 Uhr fuhren wir zunächst mit dem Auto nach Nowojelnia, dann mit der Bahn nach Czerlona, einer kleinen Station auf der Strecke Lida-Grodno. Hier erwartete uns ein „Panjefuhrwerk", das uns durch tiefen Sand in einer Stunde an den Njemen brachte. Wir mußten in einem kleinen Boot den Fluß passieren, da die alte Brücke von den Russen verbrannt war und eine von unseren Truppen hergerichtete Brücke beim Frühjahrshochwasser weggerissen worden ist. Der Fluß ist damals weit über seine Ufer getreten, ein großer Frachtkahn, der dort strandete, liegt jetzt ca. 50 m weit vom Fluß auf dem Trockenen. In Wola wurde eine Kolonne besichtigt, die dort auf einem gänzlich verlassenen und recht verwüsteten Gute liegt. Am Nachmittag ging's weiter nach Grodno. Die Stadt hat einige imposante Staatsbauten, mehrere orthodoxe Kirchen, wie sie der Russe liebt, die angestrichen sind und deren goldene mit den typischen Kotten behängten Kuppeln weithin glänzen. Die männlichen Einwohner haben die lästige Angewohnheit - vermutlich auf Kommandanturbefehl - jeden Offizier zu grüßen, was bei uns bald eine kleine Lähmung der rechten Oberarmmuskeln zur Folge hatte. Die Stadt wimmelt von Militär. Vom alten Schloß hat man einen herrlichen Blick über das Tal des Njemen, der am Fuß des Schloßberges hinfließt. Die Unterkunft im Hotel entsprach etwa der im „Schwan" in Eisenach (Fuhrmannskneipe). Am Donnerstagmorgen brachte uns der Zug nach Wasilkow, einer Station in der Nähe von Bialystok. Auf einem nahen Gute, das dem Minister Sasanow gehört - der leider nicht zu Hause war - , liegt eine weitere Kolonne, die zu besichtigen war. Das Gutshaus ist ziemlich einfach, der Park schön und gut gepflegt. Auf einer offenen Veranda aßen wir zu Mittag, wobei der Major den Vorzug hatte, im Arbeitssessel Sr. Excellenz Platz nehmen zu dürfen. Nach dem ca. 8 km entfernten Bialystok brachte uns am Nachmittag ein flotter Wagen des Herrn Sasanow. Nach einer dienstlichen Rücksprache bei der Inspektion waren wir am Abend mit einigen Bekannten von dieser Behörde im Kasino, wo wir schlecht und teuer zu Abend aßen. Ein einheimischer Hauptmann behauptete, die Speisen wären mit Affenfett angemacht. Eine Eigenart dieses Fettes scheint die zu sein, daß es den hinteren Gaumen mit einer festen Talgschicht überzieht, die nur durch reichliche Getränke entfernt werden kann. Dieses war der zweite Tag. Der dritte sah uns in Bielsk, wo wir die „Schwesternabteilung" besuchten. Ein nettes Gartenstädtchen mit breiten Straßen und freundlichen Holzhäusern. Von den 10000 Einwohnern sind nur 2000 da, so stehen viele Häuser leer und an guten Quartieren ist kein Mangel. Am Nachmittag fuhren wir nach dem 40 km entfernten Jagdschloß Bialowies, das dem Zaren gehört, der leider auch verhindert war, uns zu empfangen. Eine Beschreibung desselben habe ich schon früher geliefert, wo ich mal das Vergnügen hatte, es zu sehen. Jetzt sah es wesentlich wohnlicher aus als damals. Eine Menge Truppen sind hier zusammengezogen, um das Ausholzen des Urwalds zu besorgen, was denn auch gründlich geschieht. Für Millionen ist da schon herausgeschlagen worden. Wisente bekamen wir leider nicht zu sehen, obwohl sie so vertraut sind, daß sie den Pferden das Futter wegfressen, wenn die Kolonnen im Walde füttern. Hingegen machte ich eine andere angenehme Bekanntschaft: im Kasino befand sich des Abends der bekannte Zeichner Fritz Stock-Gotha ein, der hier Studien macht. Ein gemütlicher, fideler, dicker Herr, der interessant von seinen Studienreisen, vor allem in der Türkei, erzählte. Der nächste Tag war der Rückfahrt gewidmet."

1. Juli 1916

Hans (Erbslöh) schreibt mir aus Z., den 22. ds. M.:

„Ich hatte immer schon vor, mal wieder etwas für die Familiennachrichten zu liefern und so sende ich Dir denn die frohe Nachricht meiner Verlobung mit Martha Appelius aus Eisenach. Martha ist Dir und vielen der Familie wenigstens dem Namen nach nicht unbekannt, denn seit vielen Jahren ist uns Familie Appelius ja eng befreundet und eine langjährige besondere Freundschaft verband auch Martha und mich. Unsere Verlobung wird Anfang Juli veröffentlicht werden und vom 8. Juli ab hoffen wir dann einen dreiwöchigen gemeinsamen Urlaub in Eisenach verleben zu können. Martha ist seit 4 Jahren als Schwester im städtischen Krankenhause in Frankfurt a.M. tätig."

Die Nachricht von der Verlobung von Hans haben wir mit Freude begrüßt und ich darf ihm wohl in aller Namen die herzlichsten Glückwünsche zu der Verbindung mit seiner bewährten Freundin aussprechen.

16. September 1916

Hans Erbslöh ist seit Anfang August wieder im Feld und seine Martha ist auf 4 Monate nach Frankfurt ins Krankenhaus zurückgekehrt. - Seine Abteilung ist, wie seine Mutter schreibt, kürzlich „weit ab" gelegt worden; wohin hatte sie noch nicht erfahren.

21. Oktober 1916

Hans Erbslöh schreibt mir über seine letzten Erlebnisse u. d. 14. ds. M.:

„Am 11. Sept. wurde die Abteilung von Zdziemrol, unserem bisherigen Standort in Rußland, abtransportiert und nach 4-tägiger Reise, die uns durch anmutsvolle Gegenden Ungarns führte, landeten wir in Großwardein (Nagzvarad). Hier blieben wir eine Woche und dann ging's über Karlsburg nach Hermannstadt. Diese Stadt rein deutschen Charakters hat mir außerordentlich gefallen. Deutsch ist der größte Teil seiner Bewohner, deutsch die Bauweise, deutsch die Sauberkeit in den Straßen und die Namen derselben. Die Stadt, in die die Rumänen nur ganz kurze Zeit eingedrungen waren, hat äußerlich sehr wenig gelitten. Bei unserer Ankunft machte sie allerdings einen toten Eindruck, da von den 32000 Einwohnern 20000 geflüchtet waren. Aber schon in den ersten Tagen kehrten die Flüchtlinge scharenweise zurück. Vor einigen Tagen erhielt ich ein besonderes Kommando nach einem Flecken in der Nähe von Kronstadt, wo ich z.Zt. noch bin. Ich hoffe jedoch bald zu meiner Abteilung zurückkehren zu können."

4. November 1916

Von Hans Erbslöh liegen gute Nachrichten vor. Er hat wieder seine Tätigkeit und den Standort gewechselt.

11. November 1916

Von Adolf erhielt ich einen Brief aus Vaulx v. 2. ds. M.:

„Seit 14 Tagen liegen wir nördlich der Somme und unser J.R.95 ist seit 8 Tagen eingesetzt. Gottlob sind die Verluste nicht allzu groß. Hoffen wir, daß es so bleibt! Mich hat man zum Quartiermacher der Ortskommandantur in Vaulx gemacht; das ist ein kleines Städtchen, 12 km hinter der Front, mit schöner gotischer Kirche aus dem XIV. Jahrhundert, die mich immer so anschaut als wollte sie sagen: „Mal mich doch!", aber mit dem Malen ist's jetzt nichts, ich habe Tag und Nacht zu tun mit dem Quartiermachen für alle die Truppen, die hier z.T. länger, z.T. nur ganz kurz liegen; es geht toller zu als in einem Bienenhaus und ich bin ordentlich stolz, daß ich von den etwa 70 verschiedenen Formationen, die ich gleichzeitig im Kopf haben muß, bis jetzt nur einmal eine vergessen habe. Das gab dann allerdings gleich einen wüsten Schlamassel und ich bekam einen Gehörigen auf den Kopf von unserer 38. Inf.Div. U.a. liegt seit gestern auch das Artillerie-Regt. von Hans Erbslöh hier. Ich machte gleich Bekanntschaft mit ein paar Offizieren, die ihn kannten.- Bei unserem Familientag an der Somme hoffe ich bald einmal der 4te im Bunde sein zu können. Es wäre zu lustig, die Vettern hier alle zu sehen. Walter ist übrigens bei unserem Regt. ein sehr bekannter Mann. Alle erinnern sich seiner noch von 1914 und 15 her.-

25. November 1916

Von Hans (Erbslöh) liefen am 19. ds. in Eisenach Nachrichten ein, denen zu entnehmen ist, daß seine Zweigkolonne jetzt in Rumänien eingerückt sein wird.

16. Dezember 1916

Über Hans Erbslöh erfahre ich aus Eisenach, daß er in einem am 7. ds. M. eingetroffenen Briefe die Ankunft in Crajova und zugleich das Weiterrücken der Kolonne von dort meldete. Inzwischen wird er in Bukarest angelangt sein.

6. Januar 1917

Nachrichten von Hans (Erbslöh) nach Eisenach meldeten, daß er viel, bis in die Nächte hinein, zu tun hatte, so daß er zu ausführlichen Berichten nicht kommen konnte. Aus Titu schreibt er:

„Inzwischen wirst Du wohl Nachricht von mir aus Targu-Jiu erhalten haben. Von dort sind wir nach Craiova gewandert und dann weiter, quer durch Rumänien nach Titu, einem jammervollen Nest an der Bahnstrecke Pitesti-Bukarest. In Craiova waren wir geradezu fürstlich untergebracht, hier sehr mäßig.

Vom 18. Dez.

Seit dem 13. bin ich in Ploesti. Wir haben Titu, wo wir im Schlamm versanken, gern verlassen. Die Fahrt hierher ging über Targoviste. Hell schien die Sonne und vor uns lagen die schneebedeckten Berge der Predeal. An den zahlreichen herumliegenden Leichen sah man, daß hier gekämpft worden war; sonst machte die Gegend einen friedlichen Eindruck. Die Dörfer waren unzerstört und größtenteils bewohnt. Ploesti macht einen großstädtischen Eindruck, es hat prunkvolle, meist aber überladene Bauten, breite Straßen und leidliches Pflaster. Die bessere rumänische Bevölkerung ist geflohen, zurückgeblieben sind die zahlreich hier wohnenden Deutschen, soweit sie nicht mitgeschleppt worden sind. Meist sind sie interniert gewesen und haben in Zuchthäusern viel leiden müssen. In 8 Tagen ist Weihnachten, das wird ein trübes Fest werden. Kein Paket, kein Brief, vielleicht nicht einmal ein Baum, da hier weit und breit keine Tannen zu finden sind. Für unsere Leute haben wir auch nichts, alle Verkehrsmittel sind derartig in Anspruch genommen, daß an Nachführung von Paketen nicht zu denken ist. Seit 3 Wochen habe ich keinen Brief.-"

3. Februar 1917

Von Hans (Erbslöh) waren am 21. ds. gute Nachrichten aus Buzan eingetroffen. Er hofft sehr auf Urlaub in der nächsten Zeit, wird aber für die Reise nach Eisenach 8 Tage aufwenden müssen - eine harte Geduldsprobe.

31. März 1917

Am 15. ds. hat Hans (Erbslöh) seine Martha heimgeführt und die Hochzeit ist in Eisenach fröhlich gefeiert worden. Dem jungen Paare sind von allen Seiten herzliche Glückwünsche, daß ihm nach baldigem Frieden ein langes reiches Eheglück beschieden sein möge, gewidmet worden. Hans hatte 4 Wochen Urlaub, von denen die „Neuvermählten" 14 Tage in München und Umgegend zubringen wollten.

19. April 1917

Hans Erbslöh ließ vor seiner Abreise nach Rumänien, die am 7. ds. erfolgte, noch „allen lieben Verwandten" für die Glückwünsche, mit denen das junge Ehepaar bedacht wurde, vielen Dank sagen. Er schied mit der stillen Hoffnung, daß der nächste Urlaub ein dauernder sein werde. Seine Martha hat die Tätigkeit Fridas, die mit ihrem Wolfgang nach Lichterfelde übergesiedelt ist, bei den Kriegerfamilien übernommen. „Tante Johanna" hat ihr altes liebes Heim aufgegeben und wohnt jetzt Barfüßerstr. 24.

30. Juni 1917

Hans (Erbslöh) schreibt aus Buzan im Juni 1917:

„Nun bin ich also wieder in Buzan für viele Wochen und sitze nicht nur in unserem früheren Zweigetappengebäude, sondern sogar in demselben Zimmer, in dem ich damals schon arbeitete. Hier bin ich als Gerichtsoffizier tätig, bearbeite außerdem die Personalien der Offiziere, die Anforderung der Kolonnen an Bekleidung, Ausrüstung etc. und -- die Ordensverleihungen. Nicht die Gerichtssachen nehmen mich so in Anspruch, sondern die Personalien der Offiziere machen viel Arbeit, denn uns unterstehen ca. 150 Offiziere. Abwechslungsreich ist aber meine Tätigkeit hier, weit interessanter auch als beim Staffelstab.

Vor dem Abendessen, was erst ¼ 9 Uhr beginnt, gehe ich meist ein halbes Stündchen spazieren. das ist die einzige Zeit, in der ich mal frische Luft schnappen kann. Viele mir noch unbekannte Straßen und Plätze lerne ich dadurch kennen und bin nur immer wieder von neuem erstaunt, wie ausgedehnt Buzan ist. In der Peripherie der Stadt hat jedes Häuschen seinen Garten, was jetzt im Sommer natürlich einen sehr freundlichen Eindruck macht. Im Winter sah es hier schauerlich aus. Wieviel ist aber auch für Ordnung und Reinlichkeit getan worden!

Gestern war auch der große Tag, an dem der Generalfeldmarschall v. Mackensen uns seinen Besuch abstattete. Die Stadt war festlich geschmückt und jede Behörde hatte sich nach Kräften bemüht, die Dienstgebäude mit einer schwarz-weiß-roten Fahne zu zieren.. Wer noch keine Fahne hatte, war übel dran, denn es ist riesig schwierig hier den nötigen Stoff zu beschaffen; selbst eine nach Bukarest entsandte Einkaufskommission kehrte fast unverrichteter Sache wieder zurück. Unsere Fahne z. B. war aus Folgendem zusammengestückelt: einer alten schwarzseidenen Bluse, einer weißen Drillichhose und einem roten Unterrock, was aber aus der Entfernung ganz gut wirkte. Der Feldmarschall fuhr zunächst nach dem Gestüt des Ministers Marghiloman und dann ins Gebirge nach Nehoin. Wir erwarteten ihn gegen 8 Uhr im Kasino der Inspektion, doch kam er erst erheblich später. Ich war als „Abordnung" unseres Kasinos mit noch drei anderen Herren eingeladen, am Essen im Kasino teilzunehmen. M. ließ sich zuerst einige Herren vorstellen, dann ging's zum Essen. Ich saß mit den jüngeren Hauptleuten, Oberleutn. und Leutnants im Nebenzimmer, konnte M. aber durch die weit aufstehende Tür gut sehen. Er ist eine ganz glänzende Erscheinung!

Dabei hatte er sich ganz schlicht angezogen: Bluse ohne Generalstickerei, selbst an den Hosen fehlten die breiten Streifen. Als einzigen Ordensschmuck hatte er den Stern zum schw. Adlerorden und das Großkreuz des Eis. Kreuzes angelegt. Er war in ausgezeichneter Laune und lobte in seiner Erwiderung auf die Begrüßungsansprache des Inspekteurs die Etappe sehr. Fast jedem einzelnen Herrn trank er zu und schließlich schickte er seinen Adjutanten zu uns, der sagte: „Meine Herren, der Feldmarschall trinkt auf Ihr Wohl!" Nach dem Essen wurde stehend Kaffee getrunken, während M. Cercle hielt. Ich stand dicht bei ihm und konnte ihn gut beobachten. Plötzlich redete mich der Etappenpfarrer, ein Geh. Consistorialrat Josephson an, und entpuppte sich als Barmer Kind; guter Bekannter der Onkel und Tanten, der als Kind viel im großelterlichen Hause verkehrt hatte.

Um 11 Uhr fuhr Mackensen nach Bukarest zurück, während wir noch bei einem Glase Bier zusammen sitzen blieben."

10. August 1917

Hans (Erbslöh) ist noch immer in Buzan und wird voraussichtlich auch noch Monate dort verbleiben. Es geht ihm gut trotz vieler Arbeit und großer Hitze, die erst jetzt etwas nachgelassen hat.

27. Oktober 1917

Über Hans (Erbslöh) erfahre ich, daß er bis Mitte voriger Woche einen vierwöchigen Urlaub in Eisenach zubrachte. Jetzt befindet er sich wieder in Rumänien an der alten Stelle in B.

22. Dezember 1917

Von Eisenach wird berichtet, daß Hans (Erbslöh) Anfang November als Batterieführer an die Front versetzt wurde und jetzt nördlich von Braila steht. Er hat

„die Veränderung freudig begrüßt"

und befindet sich sehr wohl. An der rumänischen Front fand er vollkommene Ruhe vor.

13. April 1918

Hans Erbslöh wurde auf Reklamation der Verwaltung hin von Rumänien zurückberufen und wird voraussichtlich zunächst in Weimar tätig sein, wohin ihn seine Martha begleiten wird. Seine neue Stellung als Bezirkskommissar in Neustadt a.d.Orla wird er somit wohl erst später antreten.

15. Mai 1918

Schon wieder haben diese Briefe eine erschütternde Trauernachricht zu überbringen. Unsere teure Schwägerin Johanna (Erbslöh) ist nach kurzer Krankheit unserem lieben Bruder Albert in die Ewigkeit gefolgt.

In voriger Woche wurde sie plötzlich von dem schweren Leiden, welches sie vor 8 Jahren heimsuchte, das aber gänzlich aufgehoben schien, wieder befallen. Eine von einem hervorragenden Arzte gleich vorgenommene Operation hat den erhofften Erfolg nicht gehabt. Es trat ein Schwächezustand ein und am 13. ds. abends 8 Uhr ist sie sanft entschlafen.

Hans und Frida waren auf die Nachricht von ihrer Erkrankung aus Neustadt und Gr. Lichterfelde nach Eisenach geeilt. Wie schwer sie und Hildegard der Verlust der geliebten Mutter, die so ganz ihrem Wohlergehen lebte, trifft, fühlen wir mit ihnen. Uns Alte erfüllt es mit tiefer Wehmut im Angedenken an die lange Reihe von Jahren, in denen sie uns in Freud' und Leid mit ihrem reichen heiteren Gemüte eine so liebevolle, teilnehmende, von uns geliebte Schwägerin war, daß wir sie nun entbehren müssen, und ihr Gedenken wird auch bei ihren Nichten und Neffen, deren Ergehen sie mit soviel Teilnahme im Frieden wie in der gegenwärtigen Kriegszeit verfolgte, als das einer liebevollen, verehrten Tante fortleben. So wird denn unser Name, der sich in Eisenach während 45 Jahren einen guten Klang erworben und erhalten hat, dort erlöschen.

Die Beerdigung wird am Donnerstag, 5 Uhr vom Friedhof aus erfolgen.

13. Juni 1918

Für die vielen, ihnen aus unserem Verwandtenkreise zugegangenen Beweise der Liebe und Teilnahme, bei dem Heimgang ihrer teuren Mutter, beauftragen mich die Eisenacher Geschwister, ihren allerherzlichsten Dank auszusprechen.

Hans hat nach den schmerzlichen Eisenacher Tagen wieder seine Tätigkeit als Bezirkskommissar in Neustadt a.d.Orla aufgenommen. Frida hat sich nach einer Wohnung in Jena umgesehen und wird voraussichtlich im Herbste dorthin mit Hildegard übersiedeln. H. erwartete den Besuch von Curt Appelius auf Urlaub.

21. Oktober 1918

Von Hans (Erbslöh) und Frida (Scheibe) wird mir, mit der Bitte, sie Euch bekanntzugeben, die erschütternde Nachricht, daß Curt Appelius am 15. ds. in einem Feldlazarett infolge einer Verwundung bei Cambrai gestorben ist.

Frida schreibt dazu u. d. 19. ds. aus Eisenach:

„Hilde erhielt am Donnerstag die telegrafische Nachricht, ohne von einer Verwundung ihres Mannes zu wissen. Briefe, die darüber berichten, trafen dann später ein. Curt hat in schwerem Kampfe am 8. ds. die Führung der Kompagnie übernommen und wurde durch Granatsplitter am Oberschenkel und Arm verwundet und scheint starken Blutverlust gehabt zu haben. Nach dem Berichte vom Feldwebel schien keine Lebensgefahr zu befürchten und Curt sollte nach der Heimat transportiert werden. Nun ist es doch anders gekommen. Wir hoffen jeden Tag, daß nähere Nachricht eintrifft. - Ich bin gestern von Jena herübergefahren und kann leider nur bis Mitte nächster Woche bleiben, da ich noch mitten im Umzuge bin ..... ich hoffe später, wenn ich alles in Jena ins Geleise gebracht habe, wieder nach hierher fahren zu können."

Tief betrübt beklagen wir Hildegards trauriges Schicksal, das sie nach so kurzer Ehe in schwerer Zeit ihres teuren Gatten beraubt hat und das sie nun mit ihrer Schwester teilt. Curts Andenken aber, der nach heldenmütigem Kampfe als Führer einer Kompagnie sein Leben dem Vaterlande zum Opfer gebracht hat, werden wir hoch in Ehren halten.
 
 

© 2011 ANDREAS ERBSLÖH